
Es ist 20 Uhr an einem Dienstagabend. Früher hätten Millionen Menschen jetzt den Fernseher eingeschaltet, um die Tagesschau zu schauen. Heute scrollt die halbe Welt durch TikTok, lauscht Joe Rogan oder schaut einem 23-jährigen YouTuber dabei zu, wie er Politik "erklärt". Der Digital News Report 2025 liefert erstmals erschreckend konkrete Zahlen: 54% der US-Amerikaner nutzen Social Media mittlerweile als Hauptnachrichtenquelle – mehr als TV oder seriöse Nachrichtenseiten.
Warum verschwinden traditionelle Nachrichtenmedien plötzlich so schnell?
Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Traditionelle Medien erleben den steilsten Absturz ihrer Geschichte. In den USA nutzen nur noch 50% TV-Nachrichten als Hauptquelle – zum ersten Mal weniger als Social Media. Noch dramatischer: Das Vertrauen in Nachrichten fiel in Deutschland um 15 Punkte seit 2015. In Österreich und der Schweiz sieht es ähnlich düster aus.
Der Grund? Menschen unter 35 haben ihre Gewohnheiten radikal verändert. 54% der 18-24-Jährigen sagen, Social Media seien ihre wichtigste Nachrichtenquelle. Sie schauen keine Tagesschau mehr, sie folgen Influencern. Sie lesen keine Zeitungsartikel, sie sehen sich 60-Sekunden-Videos an. Sie vertrauen nicht mehr Redaktionen, sondern Persönlichkeiten.
Ich sehe darin einen unwiderruflichen Kulturbruch: "Was wir erleben, ist nicht nur ein Medienwandel – es ist das Ende des gemeinsamen Diskursraums. Früher sahen alle dieselben Nachrichten zur selben Zeit. Heute hat jeder seine eigene, algorithmisch kuratierte Realität."
Kennst du das Gefühl, wenn du nicht mehr weißt, welchen Nachrichten du trauen kannst?
Das Problem geht tiefer als nur veränderte Sehgewohnheiten. 47% der Befragten weltweit sehen Online-Influencer als größte Bedrohung für wahrheitsgemäße Information – gleichzeitig werden genau diese Influencer immer einflussreicher. Ein Paradox, das unsere Zeit perfekt beschreibt.
In Deutschland erreicht Julian Reichelt, der ehemalige Bild-Chefredakteur, mit seinem YouTube-Kanal mittlerweile Millionen Menschen. In Frankreich verfolgen 22% der unter-35-Jährigen den YouTuber "HugoDécrypte" – mehr als viele traditionelle Nachrichtensendungen erreichen. In den USA kam jeder Fünfte in der Woche nach Trumps Amtseinführung mit Joe Rogans Inhalten in Berührung.
Diese "Creator" operieren nach völlig anderen Regeln als traditioneller Journalismus. Sie müssen nicht objektiv sein, keine Quellen prüfen, keine redaktionellen Standards einhalten. Sie müssen nur eines: unterhaltsam und authentisch wirken. Und das können sie besser als die meisten Nachrichtensendungen.
Wie verändert sich unser Nachrichtenkonsum, wenn Video Text überholt?
Die dramatischste Veränderung zeigt sich beim Format: 75% konsumieren mittlerweile Nachrichten in Videoform – ein Anstieg von 67% in nur fünf Jahren. In Ländern wie Indien, Mexiko und den Philippinen sagen mehr Menschen, sie schauen lieber Nachrichten als sie zu lesen.
TikTok wächst um weitere 4 Punkte für Nachrichtenkonsum und erreicht in Thailand bereits 49% der Befragten. YouTube bleibt stabil bei 30% wöchentlicher Nachrichtennutzung, aber die Art des Konsums verändert sich fundamental. Statt 20-minütiger Dokumentationen schauen Menschen 60-Sekunden-Clips. Statt investigativer Recherche konsumieren sie Meinungen und Reaktionen.
Meine Warnung: "Wir erleben eine Infantilisierung des Nachrichtenkonsums. Komplexe Themen werden in Häppchen zerlegt, die zwar leicht verdaulich sind, aber oft jeden Kontext vermissen lassen. Das ist gefährlich für eine funktionierende Demokratie."
Seien wir ehrlich: Wann hast du das letzte Mal einen ganzen Zeitungsartikel gelesen?
Das größte Problem liegt nicht in der Technologie, sondern in uns selbst. 40% vermeiden mittlerweile aktiv Nachrichten – so viele wie nie zuvor. Sie finden Nachrichten zu deprimierend, zu kompliziert oder zu irrelevant für ihr Leben. Besonders junge Menschen sagen häufiger, Nachrichten seien "zu schwer zu verstehen".
Gleichzeitig steigt das Interesse an personalisierten Nachrichten durch KI: 27% würden gerne zusammengefasste Artikel lesen, 24% wollen Übersetzungen in einfachere Sprache. Die Technologie könnte helfen – aber sie könnte auch die Fragmentierung verstärken.
Die österreichische Medienlandschaft steht vor denselben Herausforderungen wie der Rest Europas. Nur 18% bezahlen für Online-Nachrichten – und diese Zahl stagniert seit Jahren. In der Schweiz und Deutschland sieht es ähnlich aus. Traditionelle Medien kämpfen nicht nur um Aufmerksamkeit, sondern ums Überleben.
Fazit
Wir stehen am Ende einer Ära, in der professioneller Journalismus den Diskurs prägte. Was folgt, ist ungewiss: eine Welt der Influencer und Creator, in der Unterhaltung wichtiger ist als Wahrheit, Emotionen wichtiger als Fakten. Vielleicht ist das nicht nur schlecht – Creator können Themen zugänglicher machen und neue Perspektiven bieten. Aber wir sollten uns bewusst machen, was wir dabei verlieren: gemeinsame Grundlagen für Diskussionen und das Vertrauen in überprüfte Information.
Die Frage ist nicht, ob sich dieser Wandel aufhalten lässt. Die Frage ist: Bist du bereit für eine Welt, in der deine Realität von Algorithmen und Influencern geformt wird? 📱
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Quellen:
- Reuters Institute Digital News Report 2025 - https://reutersinstitute.politics.ox.ac.uk/digital-news-report/2025/dnr-executive-summary
- World Economic Forum Global Risks Report 2025
- Channel 4 GenZ Research 2025
FAQ-Sektion:
F: Nutzen wirklich mehr Menschen Social Media als traditionelle Medien für Nachrichten?
A: Ja, 54% der US-Amerikaner nutzen Social Media als Hauptnachrichtenquelle, nur noch 50% schauen TV-Nachrichten. Auch in Europa und der DACH-Region steigt dieser Trend kontinuierlich an.
F: Warum vertrauen Menschen Influencern mehr als Journalisten?
A: Influencer wirken authentischer und persönlicher. Sie sprechen direkt zu ihrer Community, verwenden einfache Sprache und schaffen emotionale Verbindungen, die traditionelle Medien oft vermissen lassen.
F: Ist der Wandel zu Social Media Nachrichten schlecht für die Demokratie?
A: Der Wandel bringt Chancen und Risiken. Positiv: mehr Perspektiven und Zugänglichkeit. Negativ: weniger Faktenchecks, mehr Fragmentierung der Gesellschaft und Verlust gemeinsamer Diskussionsgrundlagen.
F: Wie kann man vertrauenswürdige von unvertrauenswürdigen Quellen unterscheiden?
A: 38% prüfen bei vertrauenswürdigen Nachrichtenmarken, 35% nutzen offizielle Quellen. Wichtig: mehrere Quellen vergleichen, Primärquellen suchen und auf professionelle journalistische Standards achten.
F: Bezahlen Menschen in der DACH-Region für Online-Nachrichten?
A: Nur 18% bezahlen für Online-Nachrichten. In Österreich und der Schweiz stagniert diese Zahl seit Jahren, was die Finanzierung traditioneller Medien zusätzlich erschwert.
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