Im Kontext eines von der Wirtschaftsagentur Wien unterstützten Projekts hat man die bisher umgesetzten Digitalisierungsstrategien des Sozialunternehmens Vollpension unter der Lupe des "Digitalen Humanismus" kritisch und ethisch untersucht. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse sind spannend und lesenswert.
Das Wiener Sozialunternehmen Vollpension hat ursprünglich mit einem Fokus auf Generationendialog sowie die Reduzierung von Altersarmut und -einsamkeit in der Gastronomie agiert. Mit zwei Generationencafés und einem To-Go Standort in Wien verfolgte es diese beiden Impactziele. In den letzten Jahren wurde immer mehr die Digitalisierung als vielversprechender Bereich für sozialen Einfluss erkannt.
Unter dem Dach der “Vollpension Backademie” entstanden beispielsweise Online-Backkurse von Großmüttern und Social Media-Kampagnen, die als "bunte Mittler" zwischen den Generationen fungierten.
Mit der Zeit wurde jedoch eine Frage immer drängender: Wie steht es um die ethischen Aspekte der Digitalisierung?
Um dieser Frage nachzugehen, wurden die bisherigen Maßnahmen der Digitalisierung auf Basis des Konzepts des “Digitalen Humanismus” ethisch untersucht und kritisch beleuchtet. Bei Bedarf wurden konkrete ethische Handlungslösungen entwickelt. Das resultierende Paper soll nun als praktischer Leitfaden für andere (Sozial-)Unternehmen dienen, die auf ähnliche Herausforderungen stoßen könnten.
Wiener Manifest zum Digitalen Humanismus
2019 wurde das “Wiener Manifest zum Digitalen Humanismus” verfasst und von zahlreichen Expert:innen an der TU Wien unterzeichnet und vorangetrieben. Als Teil dieser Initiative startete der Call “Roadmaps digitaler Humanismus” der Wirtschaftsagentur Wien.
Die Vollpension arbeitete gemeinsam mit Peter Kirchschläger, dem Vorsitzenden des Instituts für Sozialethik an der Universität Luzern, daran, einen Praxisleitfaden für kleine und mittelständische Unternehmen zu schaffen. Dieser Leitfaden soll Unternehmen dabei unterstützen, die wesentlichen Aspekte des Digitalen Humanismus bei der fortschreitenden Digitalisierung zu berücksichtigen und sinnvolle Maßnahmen zu ergreifen.
Digitaler Humanismus
Definition: Der Digitale Humanismus legt den Fokus auf den Menschen in der digitalen Transformation. In vielen Mythen, von der Antike bis zum heutigen Hollywood, wird das Verhältnis von Mensch und Maschine thematisiert. Manchmal wird der Mensch als Maschine dargestellt, in anderen Fällen wird die gesamte Natur als Maschine interpretiert. In einigen Geschichten unterjochen Maschinen Menschen, und einige Utopisten sehen die ultimative Freiheit darin, nur Maschinen arbeiten zu lassen.
Ein digitaler Humanismus verwandelt den Menschen nicht in eine Maschine und sieht Maschinen nicht als Menschen. Er betont die Einzigartigkeit des Menschen und seiner Fähigkeiten und nutzt digitale Technologien, um diese zu erweitern, nicht einzuschränken. Der Digitale Humanismus strebt nach einer menschlichen und gerechten Zukunft für die Menschheit. Dabei wird die Digitalisierung als Mittel gesehen, die Menschen von unnötigen Aufgaben entlasten soll. Verantwortung liegt dabei immer bei den Menschen, da Maschinen die Fähigkeit zur Verantwortungsübernahme abgesprochen wird.
3 Schritte zum Konzept des Digitalen Humanismus
Ideen und Prinzipien sammeln: Im ersten Schritt wurden die Ideen des Digitalen Humanismus, Inhalte des “Wiener Manifests für Digitalen Humanismus” und ergänzend die Prinzipien des Projekts einer Internationalen Agentur für Datenbasierte Systeme (IDA) gesammelt. Diese wurden in einen Fragenkatalog transformiert, um die Geschäftstätigkeit des Sozialunternehmens dahingehend zu untersuchen, wo ethische Handlungsfelder bestehen könnten.
Relevanz und Beitrag untersuchen: In der zweiten Phase wurden die relevanten Fragen für die Vollpension identifiziert. Es wurde geprüft, zu welchen Fragen das Sozialunternehmen einen Beitrag leisten könnte.
Thematische Cluster Bilden und Handlungsfelder definieren: In einem dritten Schritt wurden thematische Cluster, wie zum Beispiel Datenschutz, gebildet. Diese wurden mit konkreten Handlungsfeldern inhaltlich gefüllt.
Eine wichtige Erkenntnis war, dass es die Möglichkeiten und Expertise eines Unternehmens oft übersteigt, selbst zu überprüfen, ob Anbieter sich an Menschenrechte wie Datenschutz und Privatsphäre halten oder nicht.
Die Vollpension schließt daraus, dass der liberale Rechtsstaat und die internationale Gemeinschaft Unternehmen gezielt entlasten müssen, um die Menschenrechte zu gewährleisten und rechtliche Normen konsequent durchzusetzen. Derzeit sei dies unzureichend umgesetzt. Die Schaffung einer Internationalen Agentur für Datenbasierte Systeme (IDA) bei der UN wäre daher eine gute Idee.
Der Leitfaden
Im Rahmen des Projekts hat die Vollpension konkrete „Hausaufgaben“ für sich identifiziert, die möglicherweise auch anderen Unternehmen als Leitfaden für die Umsetzung des Digitalen Humanismus dienen könnten:
Überprüfung der Einhaltung der DSGVO: Es muss geprüft werden, ob alle Anbieter aus der EU stammen und der DSGVO unterliegen, um die Einhaltung der Datenschutzgrundverordnung sicherzustellen.
Inklusivere Bewerbungsprozesse: Der bisher ausschließlich digitale Bewerbungsprozess soll angepasst werden, um inklusiver zu sein. Die Medienkompetenz soll nicht mehr als Voraussetzung, sondern als etwas betrachtet werden, das später durch Einschulung erreicht werden kann.
Schwerpunkte Setzen: Das Unternehmen hat sich für das Projekt auf einige Schwerpunkte konzentriert, weitere Aspekte sollen in Zukunft angegangen werden.
Produktivität und Inklusion: Die Prüfung, wie datenbasierte Systeme die Produktivität steigern können, ohne Arbeitsplätze zu gefährden oder die Inklusion der relevanten Mitarbeiterinnen zu beeinträchtigen, wird im Unternehmen großgeschrieben.
Integration von datenbasierten Systemen: Das Ziel ist es, moderne und effiziente Organisation zu sein, wobei Inklusion und soziales Klima berücksichtigt werden müssen.
Wertekatalog und Schulung: Vor der Einführung neuer Tools wird ein Wertekatalog herangezogen, Mitarbeiter werden im Digitalen Humanismus geschult.
Zusammenarbeit mit Anbietern: Viele Ziele können nur in Zusammenarbeit mit Anbietern erreicht werden.
Rechtssicherheit und Menschenrechte: Die Notwendigkeit einer Garantie für Rechtssicherheit und die Durchsetzung der Menschenrechte im digitalen Bereich durch den liberalen Rechtsstaat und die internationale Gemeinschaft wurde betont.
Diese Punkte bilden eine klare Richtlinie, wie ein Unternehmen den Digitalen Humanismus in seiner Organisation umsetzen kann, wobei der Mensch im Mittelpunkt steht und Technologie als Werkzeug dient, um das menschliche Potential zu erweitern, nicht zu ersetzen. Es zeigt auch die Bedeutung von Zusammenarbeit, sowohl innerhalb des Unternehmens als auch mit externen Partnern und der Regierung, um eine humane und gerechte digitale Zukunft zu schaffen.