In einer Zeit, in der die Herausforderungen unserer Gesellschaft immer komplexer werden, stehen wir vor der Aufgabe, innovative Lösungen für drängende Probleme wie soziale Ungleichheit, Steuergerechtigkeit und die Finanzierung des Sozialsystems zu finden. Gleichzeitig verändert die fortschreitende Digitalisierung die Art und Weise, wie wir wirtschaften und Geld transferieren, grundlegend. Vor diesem Hintergrund gewinnen neue Ansätze zur Steuererhebung und Umverteilung an Bedeutung.

In diesem dreiteiligen Essay werden zwei bahnbrechende Konzepte vorgestellt und analysiert: die Mikrosteuer, entwickelt von Forschern der Johannes Kepler Universität Linz, und die Geldtransaktionssteuer (GTS), konzipiert von Michael Kainz. Beide Ansätze versprechen, unser Steuersystem grundlegend zu reformieren und an die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts anzupassen.

Im ersten Teil betrachten wir die Mikrosteuer der Johannes Kepler Universität, ihre Grundlagen, Ziele und potenziellen Auswirkungen. Der zweite Teil widmet sich der Geldtransaktionssteuer, einem etwas umfassenderen Ansatz zur Steuerreform. Im abschließenden dritten Teil vergleichen wir beide Konzepte und untersuchen ihre möglichen Auswirkungen auf unsere Gesellschaft.

Ziel dieses Essays ist es, einen fundierten Überblick über diese innovativen Steuerkonzepte zu geben und eine Diskussion über ihre Machbarkeit und Wünschbarkeit anzuregen. In einer Zeit des Wandels und der Herausforderungen bieten diese Ideen möglicherweise Wege zu einem gerechteren, effizienteren und zukunftsfähigeren Steuersystem.

Wir laden dich ein, dich auf diese Reise durch neue Ideen und mögliche Zukunftsszenarien zu begeben. Möge diese Analyse zu einem tieferen Verständnis und einer konstruktiven Debatte über die Zukunft unseres Steuer- und Sozialsystems beitragen.

Die Mikrosteuer

Die Johannes Kepler Universität Linz (JKU) hat mit ihrer Forschung zur Mikrosteuer auf den bargeldlosen Zahlungsverkehr einen innovativen Ansatz zur Steuerreform vorgelegt. Dieser Ansatz zielt darauf ab, ein gerechteres und einfacheres Steuersystem zu entwickeln, das langfristig zur Finanzierung eines Bedingungslosen Grundeinkommens (BGE) beitragen könnte.

Kernpunkte des Mikrosteuer-Konzepts der JKU:

  1. Niedrige Steuersätze: Die JKU schlägt extrem niedrige Steuersätze vor, meist zwischen 0,05% und 1%. Trotz dieser geringen Sätze wird aufgrund des enormen Transaktionsvolumens ein hohes Steueraufkommen erwartet.
  2. Fokus auf bargeldlosen Zahlungsverkehr: Die Mikrosteuer konzentriert sich ausschließlich auf elektronische Transaktionen. Dies reduziert die Komplexität und passt sich dem Trend zur zunehmenden Digitalisierung an.
  3. Automatische und digitale Erhebung: Das Modell setzt auf digitale Zahlungsmethoden und Echtzeitverarbeitung von Transaktionen, was eine sofortige und effiziente Steuerabführung ermöglicht.
  4. Breite Bemessungsgrundlage: Alle bargeldlosen Transaktionen, unabhängig von Art und Höhe, würden besteuert. Dies verspricht eine gerechtere Lastenverteilung.
  5. Potenzial zur Steuerreform: Durch die Erhebung auf den gesamten bargeldlosen Zahlungsverkehr könnte die Steuerlast von Löhnen, Einkommen und Gewinnen entkoppelt werden, was zu einer umfassenden Reform des Steuersystems führen könnte.
  6. Sozialreform: Ein Hauptziel der Mikrosteuer ist es, bestehende Steuern und Sozialabgaben zu reformieren. Langfristig könnte sie als primäre Steuerform genutzt werden, um Sozialsysteme wie das BGE zu finanzieren.
  7. Wirtschaftspolitische Stabilität: Die Mikrosteuer soll nicht nur als Einnahmequelle dienen, sondern auch den Konsum stärken und zu einer Stabilisierung der öffentlichen Finanzen beitragen.

Die Forschung der JKU zeigt, dass eine Mikrosteuer von 1% auf alle bargeldlosen Transaktionen in Österreich ein Steueraufkommen von etwa 179 Milliarden Euro generieren könnte. Dies übersteigt die Kosten für ein hypothetisches BGE von 125 Milliarden Euro deutlich, was Raum für weitere Steuersenkungen oder zusätzliche Sozialleistungen lassen würde.

Allerdings identifiziert die JKU-Studie auch einige Herausforderungen:

  1. Potenzielle Ausweichreaktionen: Da die Mikrosteuer nur bargeldlose Zahlungen betrifft, besteht die Gefahr, dass Unternehmen und Privatpersonen vermehrt auf Bargeld ausweichen könnten.
  2. Technologische Anforderungen: Eine umfassende Reform der IT-Infrastruktur und die Anpassung des Bankensektors wären notwendig, um die Mikrosteuer effizient zu implementieren.
  3. Politische Widerstände: Die Einführung eines so umfassenden neuen Steuersystems könnte auf erhebliche politische und wirtschaftliche Widerstände stoßen.

Trotz dieser Herausforderungen kommt die JKU-Studie zu dem Schluss, dass die Mikrosteuer ein vielversprechender Ansatz für eine umfassende Steuer- und Sozialreform sein könnte. Sie bietet das Potenzial, das Steuersystem zu vereinfachen, gerechter zu gestalten und gleichzeitig eine stabile Finanzierungsgrundlage für fortschrittliche Sozialsysteme wie das BGE zu schaffen.

Die Geldtransaktionssteuer (GTS)

Die Geldtransaktionssteuer (GTS) stellt einen umfassenden Ansatz zu einer modernen und digitalen Steuerreform dar. Die GTS zielt darauf ab, nahezu alle bestehenden Steuerarten zu ersetzen und sowohl bargeldlose als auch Bargeldtransaktionen zu erfassen.

Kernpunkte des GTS-Konzepts:

  1. Universelle Anwendung: Die GTS soll auf alle Arten von Geldtransaktionen erhoben werden, einschließlich Bargeld (mittlerweile sehr einfach durch Registrierkassenpflicht), elektronische Überweisungen, Kreditkartenzahlungen und Kryptowährungstransaktionen. Die Einbeziehung von Bargeldtransaktionen durch elektronische Registrierkassen schließt eine wichtige Lücke und macht das System umfassend.
  2. Die Geldflüsse, die mit der GTS besteuert werden können, umfassen Transaktionen von Privatpersonen, Unternehmen (mit Ausnahme von Banken), Banken, Börsen, digitalen Plattformen, staatlichen Institutionen sowie bilaterale Geldtransfers.
  3. Niedriger Steuersatz: Ähnlich wie bei der Mikrosteuer schlägt Kainz einen sehr niedrigen Steuersatz vor, typischerweise um 1%. Trotz des geringen Satzes verspricht die breite Bemessungsgrundlage erhebliche Steuereinnahmen.
  4. Ersatz bestehender Steuern: Die GTS ist als Ersatz für die meisten bestehenden Steuern konzipiert, einschließlich Einkommenssteuer, Mehrwertsteuer und Unternehmenssteuer.
  5. Echtzeiterhebung: Die Steuer würde automatisch bei jeder Transaktion erhoben und abgeführt, was eine effiziente und zeitnahe Steuererhebung ermöglicht.
  6. Dynamische Anpassung: Kainz schlägt vor, dass der GTS-Satz dynamisch angepasst werden könnte, um auf wirtschaftliche Schwankungen zu reagieren und ein ausgeglichenes Staatsbudget zu gewährleisten.
  7. Reduzierung von Steuervermeidung: Durch die automatische Erhebung bei jeder Transaktion würden die Möglichkeiten zur Steuervermeidung oder -hinterziehung stark eingeschränkt.
  8. Finanzierung sozialer Programme: Die GTS könnte bei der Finanzierung eines Bedingungslosen Grundeinkommens (BGE) oder anderer sozialer Programme eine wichtige Rolle spielen.
  9. Vereinfachung des Steuersystems: Die GTS verspricht eine drastische Vereinfachung des Steuersystems, da sie die meisten anderen Steuern ersetzen würde. Steuern, wie die Mineralölsteuer oder eine CO2 Steuer könnten als Lenkungssteuern bestehen bleiben.

Potenzielle Vorteile der GTS:

  1. Gerechtere Lastenverteilung: Da die GTS auf alle Transaktionen angewendet wird, würde sie theoretisch zu einer gerechteren Verteilung der Steuerlast führen.
  2. Stabilisierung der Finanzmärkte: Die Besteuerung von Finanztransaktionen könnte spekulative Aktivitäten eindämmen und zu stabileren Märkten beitragen.
  3. Reduzierung der Verwaltungskosten: Ein einheitliches, automatisiertes Steuersystem könnte die Kosten für Steuerverwaltung und -erhebung erheblich senken.
  4. Förderung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs: Die GTS könnte den Trend zum bargeldlosen Zahlungsverkehr verstärken, was Transparenz und Effizienz im Finanzsystem erhöhen würde.

Herausforderungen und Kritikpunkte:

  1. Technologische Komplexität: Die Implementierung eines Systems, das alle Transaktionen in Echtzeit erfasst und besteuert, stellt eine erhebliche technologische Herausforderung dar.
  2. Politischer Widerstand: Die radikale Umstellung des Steuersystems würde wahrscheinlich auf starken Widerstand von verschiedenen Interessengruppen stoßen.
  3. Internationale Koordination: Für eine effektive Umsetzung wäre eine koordinierte internationale Einführung notwendig, um Steuerflucht zu verhindern.
  4. Auswirkungen auf die Wirtschaft: Es gibt Bedenken, dass eine Steuer auf alle Transaktionen die wirtschaftliche Aktivität hemmen könnte, insbesondere in Sektoren mit hohen Transaktionsvolumina.
  5. Datenschutzbedenken: Die umfassende Erfassung aller Transaktionen könnte Datenschutzbedenken aufwerfen.

Das GTS-Konzept stellt einen radikalen und innovativen Ansatz zur Steuerreform dar. Es verspricht ein gerechteres, einfacheres und effizienteres Steuersystem, steht jedoch vor erheblichen Herausforderungen in Bezug auf internationale Umsetzbarkeit, politische Akzeptanz und potenzielle wirtschaftliche Auswirkungen. Trotz dieser Herausforderungen bietet die GTS interessante Perspektiven für eine grundlegende Neugestaltung des Steuersystems im digitalen Zeitalter.

Die Zukunft könnte einfach sein - Mikrosteuer und Geldtransaktionssteuer (GTS) vereinfachen das gesamte Steuerwesen

Beide Konzepte, die Mikrosteuer der Johannes Kepler Universität und die Geldtransaktionssteuer (GTS), bieten innovative Ansätze zur Steuerreform mit weitreichenden Implikationen für die Gesellschaft. Ein Vergleich zeigt sowohl Gemeinsamkeiten als auch einige Unterschiede:

Gemeinsamkeiten:

  1. Niedrige Steuersätze auf breiter Basis
  2. Automatisierte, digitale Erhebung
  3. Potenzial zur Vereinfachung des Steuersystems
  4. Möglichkeit zur Finanzierung eines Bedingungslosen Grundeinkommens (BGE)

Hauptunterschiede:

  1. Umfang: Während die Mikrosteuer sich auf bargeldlose Transaktionen fokussiert, erfasst die GTS tatsächlich alle Geldtransaktionen, einschließlich Bargeld durch die Registrierkassenpflicht. Dies macht die GTS zu einem umfassenderen Ansatz, der potenzielle Schlupflöcher weiter minimiert.
  2. Zielsetzung: Die Mikrosteuer zielt primär auf eine Ergänzung des bestehenden Systems ab, während die GTS einen kompletten Ersatz anstrebt und dabei alle Transaktionsformen einbezieht.
  3. Flexibilität: Die GTS sieht eine dynamische Anpassung der Steuersätze vor, was bei der Mikrosteuer nicht explizit vorgesehen ist.

Möglichkeiten für die Gesellschaft:

Steuergerechtigkeit: Beide Systeme versprechen eine gerechtere Verteilung der Steuerlast, da sie alle wirtschaftlichen Aktivitäten proportional erfassen. Dies führt zu einer Verringerung der Einkommens- und Vermögensungleichheit.

  1. Vereinfachung und Transparenz: Die Automatisierung und Vereinheitlichung der Steuererhebung könnte das Steuersystem transparenter und verständlicher machen, was das Vertrauen in staatliche Institutionen stärken könnte.
  2. Finanzierung sozialer Programme: Beide Konzepte bieten das Potenzial, ein BGE oder andere umfassende Sozialprogramme zu finanzieren. Dies könnte zu einer grundlegenden Neugestaltung des Sozialsystems führen, Armut reduzieren und soziale Sicherheit erhöhen.
  3. Wirtschaftliche Stabilität: Durch die breite Steuerbasis und die potenziell stabilisierende Wirkung auf Finanzmärkte könnten beide Systeme zu einer stabileren Wirtschaft beitragen.
  4. Förderung von Innovation: Die Entlastung von Arbeitseinkommen könnte Innovationen und Unternehmertum fördern, da mehr Ressourcen für Investitionen zur Verfügung stünden.
  5. Anpassung an die digitale Ökonomie: Beide Systeme sind besser geeignet, die zunehmend digitalisierte und globalisierte Wirtschaft zu erfassen und zu besteuern.
  6. Reduzierung von Steuerhinterziehung: Die automatisierte Erhebung könnte Steuerhinterziehung und -vermeidung erheblich erschweren, was zu faireren Wettbewerbsbedingungen führen würde.

Herausforderungen und Bedenken:

  1. Politischer Widerstand: Beide Konzepte würden wahrscheinlich auf starken Widerstand von Interessengruppen stoßen, die vom aktuellen System profitieren.
  2. Internationale Koordination: Für eine effektive Umsetzung wäre eine koordinierte internationale Einführung notwendig.
  3. Datenschutz und Überwachung: Die umfassende Erfassung von Transaktionen könnte Bedenken hinsichtlich Privatsphäre und staatlicher Überwachung aufwerfen.
  4. Wirtschaftliche Auswirkungen: Die potenziellen Auswirkungen auf verschiedene Wirtschaftssektoren, insbesondere solche mit hohem Transaktionsvolumen, müssten sorgfältig untersucht werden.

Sowohl die Mikrosteuer als auch die GTS bieten faszinierende Möglichkeiten für eine grundlegende Reform des Steuersystems und damit der Gesellschaft insgesamt. Sie versprechen ein gerechteres, effizienteres und zukunftsfähigeres System der Staatsfinanzierung. Gleichzeitig stellen sie uns vor erhebliche Herausforderungen in Bezug auf Umsetzung, politische Akzeptanz und potenzielle unbeabsichtigte Konsequenzen.

Die Implementierung eines solchen Systems würde eine sorgfältige Planung, schrittweise Einführung und kontinuierliche Anpassung erfordern. Es wäre auch wichtig, die Auswirkungen auf verschiedene Bevölkerungsgruppen und Wirtschaftssektoren genau zu beobachten und gegebenenfalls Ausgleichsmechanismen zu schaffen.

Letztendlich bieten beide Konzepte innovative Lösungsansätze für einige der drängendsten Probleme unserer Zeit - von sozialer Ungleichheit bis hin zur Anpassung an die digitale Ökonomie. Sie verdienen daher eine ernsthafte Betrachtung und weitere Forschung als mögliche Wege zu einer gerechteren und nachhaltigeren Gesellschaft.

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