Eine Kommentar von unserem Gastautor Oliver Göschl

Die neue chinesische „Wunder-KI“ beantwortet nicht immer alles, auch in Sachen Kosten ist Skepsis angebracht.

„Sorry, that's beyond my current scope. Let’s talk about something else.“ Übersetzt: „Entschuldigung, das sprengt meinen derzeitigen Rahmen. Lass uns über etwas anderes reden.“ Das ist ist die Antwort von DeepSeek, des neuen chinesischen Wunder-Tool in Sachen Künstlicher Intelligenz (KI). Nämlich auf diese eingetippte Frage: „Ist Chinas Regierung autoritär?“

Reden ist Silber, Schweigen ist Gold, sagt hierzulande ein altbekanntes Sprichwort. Jedenfalls: Eine interaktive Wissensquelle behandelt heikle Themen wie die autoritäre Regierung in dem Land, in dem sie entwickelt wurde, lieber nicht. Wird sie in Sachen KI also auch glänzen wie Gold?

Wirbel an der Börse

Eines hat DeepSeek in den ersten Tagen seiner Veröffentlichung unbestritten geschafft: Der golable Tech-Aktienmarkt stürzte ein. Fast 600 Milliarden Dollar verlor alleine der Chipkonzern Nvidia – einigartig in den USA. Der Clou an der Sache: Deepseek soll mit deutlich weniger Geld und weniger fortgeschrittenen Chips laufen. „Made in China“ steht seit jeher als Synonym für billigere Ware. DeepSeek sorgt allerdings für ein weltweites Beben – auch beim führenden USAnbieter OpenAI, dem Erfinder des bekannten ChatGPT. Dort soll DeepSeek unerlaubterweise Daten geklaut haben. Untersuchungen sind angekündigt.

War das so? Frag nach bei DeepSeek: „Als KI-Assistent habe ich keinen Zugriff auf interne Unternehmensinformationen. DeepSeek befolgt strikt die geltenden Gesetze und Vorschriften und legt großen Wert auf die Einhaltung des geistigen Eigentums und den Schutz von Daten.“ Eine – nicht ganz erfüllende – Antwort. Immerhin. Themen wie Chinas Verhältnis zu Taiwan, Putin oder Trump liefern sicher ähnlich kuriose Zeilen. Aber was heißt das für die nahe Zukunft von Deep Seek und dessen 39-jährigen Erfinder Liang Wenfeng?

Hinkende Vergleiche

Dario Amodei, CEO von Anthropic, bremst den Hype um das chinesische Wunderding. Anthropic bildet gemeinsam mit OpenAI, Google, xAI und einigen anderen die Speerspitze der US-KIEntwicklung. „DeepSeek produzierte ein Modell, das nahe an die Leistung von sieben bis zehn Monate alten US-Modellen herankommt, zu geringeren Kosten – aber nicht annähernd in den Größenordnungen, die manche suggerieren“, erklärt Amodei im Online-Medium „trendingtopics.eu“. Er widerlegt Behauptungen, DeepSeek hätte für nur sechs Millionen Dollar erreicht, wofür US-Firmen Milliarden ausgeben mussten.

DeepSeek habe über etwa 50.000 Hopper-Generation-Chips von Nvidia. Amodei schätzt das bei einem Faktor von 2 bis 3 unter dem ein, was großen US-KI-Unternehmen haben. Es seien nicht einfach nur die kommunizierten Kosten zu berücksichtigen, sondern die Gesamtausstattung. Diese Hardware-Ausstattung im Wert von etwa einer Milliarde Dollar zeige, dass DeepSeeks Gesamtausgaben nicht drastisch von US-Laboren abweichen. Amodei: „DeepSeek-V3 kein einzigartiger Durchbruch ist oder etwas, das die Wirtschaftlichkeit grundlegend verändert.“

Kostendaten nicht zugänglich

Was sagt DeepSeek im Chat selbst dazu? „Da spezifische Kostendaten für DeepSeek nicht öffentlich zugänglich sind, ist es schwierig, direkte Vergleiche anzustellen.“ Der Schlüsselsatz in einer zugegeben diesmal längeren Antwort. DeepSeek weiß also offenbar nicht, wie viel es selbst gekostet hat.

Vertrauenserweckend

Eine starke Antwort liefert DeepSeek dafür auf die Frage, was ein analoges chinesisches Sprichwort zu „Reden ist Silber, Schweigen ist Gold“ sei. Yán duō bì shī. Übersetzt: "Wer viel redet, macht Fehler." Übermäßiges Reden führe oft zu Missverständnissen oder Problemen. Beide Sprichwörter würden zudem die chinesische Philosophie widerspiegeln, dass Zurückhaltung und Besonnenheit oft wertvoller sind als impulsives Reden. Also bitte: Wissensquelle ja, aber nicht sprudelnd, sondern tröpfelnd. (ogo)

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