Eine Analyse von unserem Gastautor Robert Prazak für unsere Serie "Strom – Die unsichtbare Macht"

Wie sicher sind die Stromnetze? Diese Frage beschäftigt derzeit Wissenschaftler und IT-Experten in Europa. In Deutschland hat nun das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) große Vorbehalte gegen das neue Solarspitzengesetz geäußert – dieses soll Netzspitzen reduzieren, indem Wechselrichter zentral gesteuert werden können. Bedenken gibt es unter anderem bezüglich der Verwendung von Geräten ausländischer Hersteller und wenig erprobter Software. Mit gezielten Angriffen könnten ganze Netzabschnitte lahmgelegt und damit große Gebiete von der Stromversorgung abgeschnitten werden, warnen Cybersecurity-Experten. Das könnte für Erpressungsversuche oder für politisch motivierte Attacken auf kritische Infrastruktur genutzt werden. 

Bremsen nun diese Sicherheitsbedenken den benötigten Ausbau der Smart Grids? Der Hintergrund: Erneuerbare Energie spielt eine entscheidende Rolle im Kampf gegen den Klimawandel. Allerdings reicht es nicht, Anlagen zur Nutzung von Sonne, Wind, Wasser und Erdwärme aufzustellen und zu betreiben, denn der grüne Strom muss auch effizient und günstig verteilt werden. Daher kommt es auf intelligente Stromnetze an, sogenannte Smart Grids. Ihr Ausbau wird in Europa vorangetrieben; so sind in Österreich beinahe alle Haushalte bereits mit den dafür nötigen digitalen, vernetzten Stromzählern ausgestattet.Bisher galten rechtliche Hürden und technologische Fragen wie zur Speicherung als größte Hindernisse für Smart Grids. Nun könnten Sicherheitsbedenken den Ausbau verzögern. 

Zero-Trust-Prinzip und Monitoring

Was kann getan werden? Experten fordern unter anderem eine konsequente Anwendung des Zero-Trust-Prinzips, bei dem keine Einheit ohne Überprüfung als vertrauenswürdig gilt.Insgesamt braucht es intelligente Sicherheitssysteme, die durch Verschlüsselung, Authentifizierung und kontinuierliches Monitoring den Schutz der Systeme erhöhen. Es wird zudem überlegt, Messgeräte ohne Cloud-Anbindung zu verwenden, um den Zugriff von außen zu erschweren. Eine Alternative wäre die Einbettung in lokale Netzwerke. Hier wird es auf die Balance zwischen wirtschaftlichen Überlegungen (Kosten für Betreiber) und Sicherheitsstrategien ankommen. Die Trusted Energy Interoperability Alliance (TEIA) arbeitet an Standards, die eine sichere und interoperable Infrastruktur fördern sollen. Zudem werden innovative Technologien wie Künstliche Intelligenz genutzt, um Bedrohungen frühzeitig zu erkennen und abzuwehren. Letztlich braucht es auch eine weltweite Koordination bei der Cybersicherheit im Energiesektor, um Gefahren zu identifizieren und abzuwenden. Wo eine globale Bedrohung bestehe, brauche es eine globale Antwort, heißt es seitens der Deutschen Energie-Agentur.

Rechtlicher Rahmen

Auch die rechtlichen Rahmenbedingungen müssen adaptiert werden. Ein Beispiel ist das KRITIS-Dachgesetz in Deutschland: Es soll Betreiber kritischer Infrastruktur, darunter Energie, Wasser und IT, zur Einhaltung strenger Sicherheitsstandards verpflichten. Dazu zählt etwa eine Meldepflicht bei Sicherheitsvorfällen. Besonders im Bereich der Energieversorgung, die zunehmend auf digitale Systeme und dezentrale Erzeuger angewiesen ist, spielt das Gesetz eine wichtige Rolle, denn es schafft einen Rahmen für die Zusammenarbeit zwischen Staat, Betreibern und Sicherheitsexperten. In der Praxis bleibt die praktische Umsetzung jedoch anspruchsvoll, unter anderem wegen der internationalen Verflechtung von Technologien und Lieferketten.

Das bedeutet: Der Schutz vor Cyberangriffen auf Smart Grids erfordert sowohl technische Innovationen als auch rechtliche Rahmenbedingungen und internationale Kooperationen. Nur so kann die Digitalisierung der Energieinfrastruktur gelingen, ohne zur Achillesferse der Energiewende zu werden. 

FAKTEN & ZAHLEN


Was ist ein Smart Grid?

Durch die Verbindung traditioneller Stromnetze mit digitalen Kommunikationssystemen entstehen Smart Grids, mit denen Produktion, Verteilung und Verbrauch von Energie effizienter gestaltet werden können. 

Wie funktioniert ein Smart Grid?

Mit Hilfe von Sensoren und Messgeräten werden Erzeugung und Verbrauch von Energie in Echtzeit überwacht und gesteuert. Das kann beispielsweise dazu genutzt werden, um schwankende Einspeisung und dezentrale Erzeugung – zwei Faktoren bei Erneuerbarer Energie wie Windkraft – auszugleichen.   

Gibt es Hürden bei Smart Grids?

Es braucht die entsprechende Hard- und Software, um intelligente Stromnetze ausbauen und betreiben zu können, unter anderem smarte Energiezähler (Smart Meter) – das ist kostspielig. Auch der Datenschutz muss berücksichtigt werden.  

Wie funktionieren Smart Grids mit Wärmepumpen?

Die Integration sogenannter „Smart Grid Ready Wärmepumpen“ in intelligente Stromnetze macht eine effizientere Energienutzung möglich: Die Wärmepumpen passen ihren Betrieb flexibel an Netzbedingungen und die Verfügbarkeit erneuerbarer Energien an. Das reduziert CO₂-Emissionen und entlastet Stromnetze, wodurch ein Beitrag zur Erreichung der Klimaziele geleistet wird.

Was bringen Smart Grids für Verbraucher?

Haushaltsgeräte wie Waschmaschinen können durch intelligente Steuerung genau dann genutzt werden, wenn es günstiger ist. Zugleich wird das Einspeisen dezentral erzeugter Energie – etwa aus Photovoltaikanlagen – einfacher und günstiger. Auch die Elektromobilität wird damit angekurbelt, denn E-Autos können in Zeiten hoher Stromverfügbarkeit aufgeladen werden. 

Zahlen & Fakten zur Energiewende

• 59.670 GWh betrug die Stromerzeugung in Österreich 2023 aus erneuerbarer Energie – ein Plus von 18,3 Prozent gegenüber 2022.

• 33,8 Prozent beträgt der Anteil erneuerbarer Energie am Bruttoendenergieverbrauch in Österreich (2022) – das ist deutlich über dem EU-Schnitt von 23 Prozent. Spitzenreiter ist in dieser Hinsicht Schweden (66 Prozent Anteil) vor Finnland (47,9%) und Lettland (43,3%).

• 6,5 Prozent betrug der Rückgang der Treibhausgas-Emissionen in Österreich im Jahr 2023 gegenüber 2022 – das lag vor allem an Klimaschutzmaßnahmen und Einsatz erneuerbarer Energie.

Quellen: Statistik Austria, Eurostat

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