In einer Welt, die von Konflikten, Klimawandel und wachsender Ungleichheit geprägt ist, suchen die Vereinten Nationen nach Wegen, um die drängendsten Herausforderungen unserer Zeit anzugehen. Am vergangenen Sonntag wurde in New York ein bemerkenswerter Schritt in diese Richtung unternommen: Die UN-Mitgliedstaaten verabschiedeten einen Zukunftspakt, der nichts weniger als eine Blaupause für eine bessere Zukunft sein soll. Doch was verbirgt sich hinter diesem ambitionierten Vorhaben, und kann es wirklich den Weg in eine gerechtere und friedlichere Welt ebnen?
Stell dir vor, du betrittst den imposanten Saal der UN-Generalversammlung. Die Spannung ist förmlich greifbar, als Dutzende Staats- und Regierungschefs zusammenkommen, um ein Dokument zu unterzeichnen, das 56 Punkte zur Verbesserung der internationalen Zusammenarbeit enthält. Es ist der Auftakt zur UN-Woche der Spitzendiplomatie, und die Erwartungen sind hoch.
All das Gerede von Spaltung, Polarisierung und Unsicherheit wird nicht das Ende unserer Vereinten Nationen sein.
Der UN-Zukunftspakt, ursprünglich 2021 von UN-Generalsekretär Antonio Guterres vorgeschlagen, ist das Ergebnis jahrelanger Verhandlungen, bei denen Deutschland und Namibia federführend waren. Olaf Scholz, der deutsche Bundeskanzler, betont die Bedeutung dieses Moments: "All das Gerede von Spaltung, Polarisierung und Unsicherheit wird nicht das Ende unserer Vereinten Nationen sein." Es ist ein Bekenntnis zum Multilateralismus in einer Zeit, in der nationale Interessen oft die Oberhand zu gewinnen scheinen.
Doch was genau beinhaltet dieser Pakt? Er ist ein Kaleidoskop globaler Ambitionen: vom Streben nach einer atomwaffenfreien Welt über die Fortsetzung von UN-Friedensmissionen bis hin zur Eindämmung der Risiken digitaler Technologien wie Künstlicher Intelligenz. Es ist ein Versuch, die UN fit für das 21. Jahrhundert zu machen und gleichzeitig die Grundprinzipien der Organisation zu bewahren.
Besonders bemerkenswert ist der Aufruf zur Reform des UN-Sicherheitsrates und internationaler Finanzinstitutionen. Diese Forderungen, vor allem von Entwicklungsländern vorangetrieben, zielen darauf ab, eine gerechtere Repräsentation auf globaler Ebene zu erreichen. Es ist ein Eingeständnis, dass die derzeitigen Strukturen die Realitäten einer sich wandelnden Welt nicht mehr adäquat widerspiegeln.
Doch wie bei allen diplomatischen Bemühungen gibt es auch Schattenseiten. Russland distanzierte sich von dem Text und versuchte in letzter Minute, Änderungen einzubringen. Unterstützt von Ländern wie Belarus, Nordkorea und dem Iran, wollte die russische Delegation betonen, dass sich die UNO nicht in die inneren Angelegenheiten von Mitgliedstaaten einmischen dürfe. Es ist ein Hinweis darauf, dass trotz des allgemeinen Konsenses tiefe Gräben zwischen den Nationen bestehen bleiben.
Selbst in Zeiten globaler Spannungen zeigt sich, dass der Multilateralismus noch am Leben ist. Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz betonte nach der Verabschiedung des Paktes: "Sie haben bewiesen, dass der Multilateralismus lebendig ist." Diese Worte unterstreichen die Bedeutung des Abkommens in einer Zeit, in der internationale Zusammenarbeit oft auf die Probe gestellt wird.
Multilateralismus bezeichnet ein System mehrseitiger Beziehungen zwischen Staaten, zum Beispiel in der Außenpolitik oder in den Wirtschaftsbeziehungen. Der Begriff leitet sich vom lateinischen „multi“ (viele) und „latus“ (Seite) ab und beschreibt die Koordination nationaler Politik zwischen drei oder mehr Staaten.
Der Zukunftspakt geht weit über bloße Absichtserklärungen hinaus. Er umfasst konkrete Verpflichtungen in Bereichen wie Abrüstung, Klimaschutz und digitale Technologien. Besonders bemerkenswert ist das Bekenntnis zu einer atomwaffenfreien Welt - ein ambitioniertes Ziel in einer Zeit wachsender geopolitischer Spannungen. Auch die Fortsetzung von UN-Friedensmissionen wird bekräftigt, was angesichts der zahlreichen Konfliktherde weltweit von großer Bedeutung ist.
Ein weiterer Schwerpunkt des Paktes liegt auf der Eindämmung von Risiken digitaler Technologien, insbesondere der Künstlichen Intelligenz. In einer Ära, in der KI zunehmend unser Leben beeinflusst, ist es entscheidend, dass die internationale Gemeinschaft gemeinsame Regeln und Richtlinien entwickelt.
Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) begrüßt besonders die "wichtigen Verpflichtungen zur wirtschaftlichen Gerechtigkeit und zur Reform der internationalen Finanzarchitektur". Dies zeigt, dass der Pakt nicht nur politische, sondern auch wirtschaftliche Dimensionen umfasst und versucht, globale Ungleichheiten anzugehen.
Doch trotz des allgemeinen Konsenses gibt es auch kritische Stimmen. Einige UN-Diplomaten bezeichnen den Text als "kleinsten gemeinsamen Nenner" oder "lauwarm". Richard Gowen von der International Crisis Group merkt an, dass das Abkommen zwar "gute Ideen" enthalte, aber nicht das "revolutionäre Dokument zur Reform des Multilateralismus" sei, das Guterres ursprünglich angestrebt hatte.
Es ist wichtig zu betonen, dass der Zukunftspakt und die damit verbundenen Dokumente zur Digitalisierung und zu künftigen Generationen nicht bindend sind. UN-Generalsekretär Guterres selbst erkannte diese Herausforderung an und betonte, dass nun die Aufgabe darin bestehe, den Abkommen "Leben einzuhauchen und Worten Taten folgen zu lassen".
Die kommenden Tage der UN-Woche der Spitzendiplomatie werden zeigen, wie ernst es den Staaten mit der Umsetzung des Paktes ist. Insbesondere die UN-Generaldebatte, die am Dienstag beginnt, wird voraussichtlich von den drängenden Themen des Nahost-Konflikts und des Ukraine-Kriegs dominiert werden. Es wird sich zeigen, ob der Geist der Zusammenarbeit, der den Zukunftspakt geprägt hat, auch in diesen schwierigen Diskussionen Bestand haben wird.
In einer Zeit, in der globale Herausforderungen wie der Klimawandel, technologische Risiken und geopolitische Spannungen zunehmen, ist jeder Schritt in Richtung verstärkter internationaler Kooperation von unschätzbarem Wert. Der UN-Zukunftspakt mag nicht perfekt sein, aber er ist ein wichtiger Baustein für eine Welt, die auf Dialog und Zusammenarbeit setzt, statt auf Konfrontation und Isolation. Es liegt nun an den Staaten der Welt, diesen Pakt mit Leben zu füllen und die darin enthaltenen Visionen in die Realität umzusetzen.