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Piloten wie Passagiere nannten sie die „Königin der Lüfte“. Ein Flugzeug, ihrer Zeit um Jahrzehnte voraus! Jeder der sieht wie sie auf der Landebahn immer schneller wird und ihre zarten Flügel einem Engel gleich der Luft anvertraut, während ihre Nase gen Himmel steigt, würde sagen: „Isn’t she the most graceful lady, as she takes to the skies!“
Ihr Name war gleichbedeutend mit purem Luxus am Rande des Weltalls (60.000 Fuß). Da sie nur eine Klasse hatte, war das Seating so: die „Reichen und Wichtigen“ sitzen vorne, die „Reichen und Schönen“ sitzen hinten. Sie flog schneller als Mach 2, aber auch höher als die meisten Militärflugzeuge. Übertroffen nur von der U-2 oder der Blackbird. In nur 3,5 Stunden (manchmal schneller) über den Atlantik zu fliegen, bedeutete dies – man konnte mit seiner Frau in London frühstücken, an einem Lunch in New York teilnehmen und abends mit seiner Geliebten in Paris dinieren – alles innerhalb eines Tages. Fast 30 Jahre lang hatte dieses Flugzeug ein praktisch perfektes „Service Record“, bis 2003 einer der Königinnen durch Unglück die Flügel gebrochen wurden und sie vom Himmel fiel. Der Name dieses Flugzeuges ist in die Geschichte eingegangen. Sie galt sowohl unter Passagieren als auch unter Piloten und Ingenieuren als makellos schön und technisch perfekt. Ihr Name: CONCORDE!
Aber es war nicht der Absturz 2003, der sie zu Ende gebracht hat, es war eine Kombination aus Lobbying, rasch steigenden Ölpreisen und dem Aufkommen von Umweltschützern und am wichtigsten – ihr Überschallknall. Schon in den 60ern testete die U.S.-Air Force die Auswirkungen von solchen Schallknalls. Das Resultat war, dass überall am Boden Tiere verschreckten oder Scheiben einfach platzten. Daher verbot die U.S.-Regierung Überschallflüge für Zivilflugzeuge über den USA 1973 – 3 Jahre vor der Indienststellung der Concorde – Zufälle gibt’s! Es war für die Concorde eine Katastrophe zu erfahren, dass der global wichtigste Markt für sie praktisch unerreichbar geworden war. Überschall nur über dem Atlantik!
Das nächste Problem war der fast schon „außerirdische“ Durst ihrer 4 Triebwerke. Ihre Rolls-Royce Olympus-Motoren (mit Stage-2-Nachbrenner) verbrauchten pro Stunde bei 26.000 Liter Treibstoff – bei einer Betankung von max. 119.500 Litern pro Flug. Die Concorde hätte niemals die Reichweite erbringen können, wie kommerzielle Flugzeuge wie die Boeing-747! Strecken wie London – Los Angeles wären für die Concorde ohne Zwischenlandung nie möglich gewesen. Und das sabotierte auch alle Ziele in Asien – der Pazifik ist einfach zu groß dafür. Obwohl etliche Fluglinien weltweit sie kaufen wollten (z.B. die Lufthansa wollte 3 Stück kaufen – weltweit 75 Bestellungen), aber die rasant steigenden Ölpreise machten es für sie einfach unmöglich profitabel fliegen zu können; bei nur max. 120 Passagieren – unmöglich! So blieb es bei 20 verkauften Maschinen. 10 für Air-France, 10 für British-Airways, obwohl beide Firmen sie auch nicht haben wollten. Der Deal bestand darin, dass sie kein Geld bezahlen mussten, solange ihre Flotte keine Gewinne machte – erniedrigend für die Regierungen Englands und Frankreichs. Naja, die Entwicklung hat eh der Steuerzahler bezahlt. Fluglinien wollen Geld verdienen, es geht um Effizienz – nicht Prestige!
Andere Firmen wie Boeing wollten auch in den Markt des SST (Super Sonic Travel) eindringen, aber für Privatunternehmen war es unmöglich ihren Aktionären solche extremen Entwicklungskosten für ein Flugzeug schmackhaft zu machen, das sich am freien Markt nicht verkaufen wird! Ist das heute immer noch so? – wir werden sehen!
Die beiden größten Probleme sind der „Supersonic-Boom“ und die Reichweite solcher Flugzeuge. Vor allem der Boom macht es fast unmöglich, über bewohntes Gebiet zu fliegen, da es so laut werden kann, dass sogar Fensterscheiben am Boden zerbersten. Daher ist es Zivilflugzeugen nicht gestattet in den USA schneller als der Schall zu fliegen (Ausnahme: Militär). Aber, um den Worten des unsterblichen Vergilius Maro eingedenk zu sein, soll man doch sagen: „Tempus Fugit“ – „die Zeit fliegt“!
Als die Concorde gebaut wurde, war sie mit Olympus-593 Triebwerken von Rolls-Royce ausgestattet. Ein Meilenstein für Motoren dieser Zeit, wurde dieses Triebwerk ursprünglich für den englischen Avro-Vulcan Bomber gebaut. Wer jemals den James Bond-Film Thunderball gesehen hat, kennt diesen Bomber. Aber dieser Film kam 1965 ins Kino.
Am Anfang haben jet-engines mit schierer Kraft gearbeitet da es egal war wie hoch der Treibstoffverbrauch war. Auch die Olympus-Motoren der Concorde arbeiteten nach diesem Prinzip. Aber durch steigende Kerosinpreise und Umweltschutzauflagen verlangen Fluglinien immer effizientere Triebwerke – mehr Schub mit weniger Treibstoffverbrauch! Schon zu Zeiten der ersten Flüge der Concorde waren viele Menschen über die Rußfahnen entsetzt, die ihre 4 Motoren ausspien. Einer der Gründe, warum die Concorde Verkaufsprobleme hatte.
Und die Idee wie man Triebwerke immer effizienter machen konnte, war wie das Pferd von hinten aufzuzäumen. Wie schon Führer Adenoid Hynkel in seiner Rede an das Volk von Tomania so treffend zu bemerken geruhte: „Tomania mit der grotzten Army in da Welt! Wir sein hi da Grotzte - Alles!“
Der geneigte Laie möge also glauben, dass man das Triebwerk immer größer machen muss um mehr Schub zu erzeugen. Aber es gibt einen intelligenteren Weg das zu erreichen. Gut, wie funktioniert ein Triebwerk eigentlich? Vorne kommt Luft rein, dann gibt es die Brennkammer wo das Kerosin verbrannt wird. Die Luft wird heißer und strömt hinten schneller raus als sie vorne eingesaugt wurde. Im Prinzip stimmt das auch. Aber: was passiert, wenn ich die Luft komprimiere? Was passiert, wenn mehr Luft erhitzt wird und so der Heißstrahl stärker wird? Bedeutet das mehr Geschwindigkeit aka Schub bei gleichen Treibstoffverbrauch? – Ja!
Und jetzt machen‘s wir auf lustig: Also, wir komprimieren die Luft in mehreren Stufen! Und wir nutzen die Gesetze der Physik, um heiße und kalte Luft optimal miteinander zu mischen. Wenn heiße O2-Molekühle (Brennkammer) schneller vibrieren und einen kleinen Teil ihrer Energie an kältere O2-Molekühle abgeben, die dadurch viel schneller würden und so mithelfen, den Schub beträchtlich zu vergrößern, dann hätten wir viel mehr Leistung mit viel geringerem Treibstoffverbrauch. Stimmt!
Und jetzt wird’s gut: Das heißt also, wir müssen den primären Airintake (Fan) nur so vergrößern, bis man das ideale Mischverhältnis hat – das kann man ausrechnen! Also, wir leiten den größten Teil der Luft an der Brennkammer vorbei und komprimieren die kalte Luft optimal. Dadurch erhitzt sich die Luft von selbst und wird dann mit der extrem heißen Luft aus der Brennkammer im Mixer direkt vor dem Endstück des Triebwerkes wieder zusammenkommen. Das geht ja super!
Zwei verschiedene Kompressoren für zwei verschiedene Temperaturen – heiß und kalt! Das nennen wir einfach mal „bypass ratio“! Und wenn wir jetzt auch noch die Form der „Blades“ in den verschiedenen Kompressoren optimal anpassen und auch völlig neue Materialien verwenden, die Reibung und den Luftfluss von Anfang an bereits optimieren, dann haben wir doch eine völlig neue Generation von Triebwerken erschaffen, oder? - Ja! Und am Besten nennen wir sie Turbofans! Und mit den neuen Technologien, werden die Motoren sogar noch leichter, und das spart zusätzlichen Treibstoff – „thrust-to weight-ratio“! Und damit alles klar ist: in den 1950ern hatten Motoren eine Schubkraft von 5.000 Pfund, heute ist die Schubkraft bei 129.000 Pfund – das würzt! Und sogar die Lebensdauer eines solchen Triebwerks ist beträchtlich höher.
Aber jetzt geht es um das Wichtigste – „the sonic boom“! Was machen wir damit? Natürlich ist die Industrie begierig, Flugzeiten möglichst kurz zu halten und sie angenehmer für Passagiere zu gestalten. Ein Flug von London nach Tokio dauert momentan 14 Stunden! Abhängig vom Carrier kommt dann vielleicht noch eine Zwischenlandung dazu. Einer der besten USP’s der Concorde war ihre kurze Flugzeit über den Atlantik. Aber das primäre Problem war der Überschallknall. NASA (National Aeronautics and Space Administration) hat aber niemals aufgehört dieses Phänomen zu studieren und Konzepte zu entwickeln, die Lautstärke drastisch zu reduzieren.
Was passiert: wenn ein Flugzeug sich der Schallmauer nähert, bauen sich vor dem Flugzeug immer massivere Luftschichten auf. Je schneller die Maschine, desto schwieriger ist es für die Luft um die Maschine herumzugleiten und sozusagen „aus dem Weg zu gehen“. Wenn das Flugzeug diese Mauer durchbricht ist ein extrem lauter Knall von 105 dB+ zu hören, der sich bis auf den Boden ausbreitet und einen „Fächer“ von bis zu 25 Kilometer erzeugt.
Diese Schallwellen breiten sich dann wie ein Kegel auch Richtung Boden aus. Das heißt, dass jeder Mensch wie Tier diesen Knall sehr laut hören würde, sobald ein Flugzeug über ihnen die Schallmauer durchbricht. Bei 45.000 Flügen über den USA bzw. 24.500 über Europa pro Tag, kann man sich leicht vorstellen, dass der Lärm auf Dauer und in dieser Quantität nicht akzeptabel wäre – auch wenn nur ein Teil aller Flüge „überschall“ wären. Die einzige Möglichkeit den Knall leiser zu machen (nach den Vorgaben der FAA – „Federal Aviation Administration“) darf der Knall nicht lauter als 75 dB sein. Das entspricht ungefähr der Lautstärke einer Autotür, wenn sie geschlossen wird.
Die einzige Möglichkeit das zu erreichen ist, die Oberfläche des Flugzeuges zu „streamline“ wie möglich zu designen – jegliche Oberfläche, die Widerstand produziert auf das absolut Nötigste zu reduzieren. Je kleiner der Widerstand, desto leiser der Knall. Was die Concorde Jahrzehnte vor ihrer Zeit bereits bewiesen hat, muss nun eine deutliche Verbesserung erfahren. Und heute haben wir AI und computergesteuerte Simulationen. Vorbei sind die Tage, wo man einfach Holzmodelle in Windkanäle montiert und ausprobiert hat, was als nächstes passiert. Moderne AI-Modelle ermöglichen es, kleinste Variationen eines Modells korrekt zu berechnen. Das nennt man „Computational Fluid Dynamics“!
Als die Concorde gebaut wurde, hatte Boeing nur ein aus Holz gebautes Modell im Maßstab 1:1, das man ausstellen konnte! Die Entwicklungskosten für ein eigenes Überschallflugzeug wären einfach zu hoch gewesen. Aber der Gedanke hat weder Boeing, Lockheed Martin noch die NASA verlassen. Es war nur eine Frage der Zeit, bis sich Visionen in konkreten Gedanken manifestieren, nur eine Frage der Zeit, bis aus Gedanken Fakten werden.
2003 tat sich Lockheed Martin mit der NASA zusammen, um ein Projekt zu beginnen, um Überschallflugzeuge für den zivilen Gebrauch zurückzubringen. Der Name des Projekts: „X-59 QueSST“!
Im Hintergrund von Lockheed Martin steht eine kleine Firma, die den Ruf hat, Flugzeuge bauen zu können, die möglicherweise „nicht von dieser Welt“ sind. So meinen zumindest viele „Experten“ auf YouTube. Darunter die U-2 „Dragon Lady“, die SR-71 „Blackbird“, F-117 „Nighthawk“, die Aurora und andere. Der Name der Firma: Skunk Works!
2016 begann die Zusammenarbeit zwischen Lockheed und der NASA mit einem Vertrag von 247,5 Millionen Dollar. Lockheed hat den Ruf, die „unmöglichsten“ Konzepte erfolgreich umsetzen zu können, die NASA kann das „Unmöglichste“ berechnen.
Der Prototyp (gebaut ab 2019) ist heute fertig und die ersten Testflüge werden noch 2024 beginnen. Da schon die ersten Simulationen sehr vielversprechend waren, kann man davon ausgehen, dass die ersten echten Flüge ebenso ein großer Erfolg sein werden.
Was als erstes hervorsticht ist die extrem lange Nase der Maschine. Der Pilot sitzt mehrere Meter dahinter und hat nur ein Display, um nach vorne sehen zu können. Das macht zwar das Landen etwas schwieriger, aber auch schon bei der Concorde hatten die Piloten kein Problem damit, dass das Bugrad mehrere Meter hinter ihnen saß.
Die Testphase wird in 3 Schritten ablaufen:
1) NASA wird das Flugzeug testfliegen um zu gewährleisten, dass die Maschine voll funktionsfähig ist. Das ist auch unbedingt nötig, um von der FAA die endgültige Betriebserlaubnis zu erhalten. Das „X“ in ihrem Namen bedeutet, dass sie ein experimentelles Flugzeug ist!
2) Sonic Boom: Dabei wird eine modifizierte F-15 um die X-59 herumfliegen und konstant ihre Druckwellen messen (akustisch und auch optisch). Zusätzlich werden am Boden im Umkreis von 30 Meilen Mikrophone installiert, um die Geräuschbelastung zu messen. Die X-59 wird dabei mit Überschall in einer Höhe von 60.000 Fuß fliegen.
3) Falls die Tests den Auflagen der FAA genügen, wird die X-59 über einigen ausgewählten Gemeinden und Städten fliegen, um die Reaktionen der Bewohner zu testen.
Alle Testergebnisse werden den Behörden weltweit vorgelegt, mit dem Ziel, das 1973 verhängte Flugverbot für zivile Überschallflugzeuge aufheben zu lassen. Damit steht einer weltweiten Einführung dieses Programms nichts mehr im Weg. Von da an ist es leicht, das Flugzeug größer zu machen, um damit mehrere hundert Passagiere pro Flug mit Überschall um die Welt zu transportieren. Es wird noch mehrere Jahre dauern, bis das passiert – aber es kommt!
Wie Europa auf diese Entwicklung reagieren wird, wird man erst sehen. Vor allem Frankreich könnte sich bei der Zulassung querlegen, da man im Élysée in Paris gewiss die Demütigung der FAA nicht vergessen hat, der Concorde die Flugrechte innerhalb der USA zu verweigern, und das Projekt so zu einem kommerziellen Flop zu degradieren! Aber in Zeiten von Flugscham und der europäischen Klimakatastrophe wird es Europa sicherlich leicht fallen, auf Überschallflugzeuge zu verzichten. Und wiederum werden die Menschen sagen: „What an absolute beauty takes to the skies!“