
Wien, ein spätsommerlicher Vormittag. Während in Coworking-Spaces auf der Gumpendorfer Straße die ersten Laptops hochfahren, sind die Erwartungen längst im Overdrive. Künstliche Intelligenz soll Prozesse beschleunigen, Märkte revolutionieren, die Zukunft erfinden. Doch was, wenn sie vorerst nur Präsentationen schöner macht?
Der stille Kollaps des KI-Optimismus
Eine aktuelle MIT-Studie bringt es auf den Punkt: 95 Prozent aller KI-Pilotprojekte in Unternehmen scheitern an einem ganz und gar menschlichen Faktor – überzogene Erwartungen. Was als transformatives Versprechen beginnt, endet oft als isolierte Anwendung ohne strategische Einbettung. Eine digitale Fata Morgana.
Der Druck ist groß. "Fear of Missing Out" treibt Entscheidungsträger in Investitionen, die weniger auf tatsächlichem Bedarf als auf narrative Wellen des Fortschritts basieren. Dabei entsteht ein paradoxes Szenario: Man implementiert KI nicht, um ein Problem zu lösen – sondern um mitreden zu können.
Inseldenken im Datenozean
Viele dieser Initiativen stranden an den gleichen Riffen: mangelnde Datenqualität, fehlende Governance, zu geringe interne Kompetenzen. Der Glaube an die Omnipotenz von Algorithmen überlagert oft die nüchterne Erkenntnis, dass Technologie ohne Struktur ein Schiff ohne Ruder ist.
Und während sich Unternehmen noch in Proof-of-Concepts verheddern, wächst andernorts die Sorge: vor Jobverlust, Relevanzverlust, Orientierungslosigkeit.
KI als Jobmotor? Vielleicht – aber nicht ohne Umdenken
Bezeichnend: Während Übersetzerinnen und Game-Developer sich überflüssig fühlen, sieht Github-CEO Thomas Dohmke eine ganz andere Dynamik. Seiner Vision nach wird KI das Programmieren demokratisieren – nicht abschaffen. Der Bedarf an menschlicher Kontrolle, Kontextualisierung und Gestaltung bleibt bestehen, ja wächst sogar. In Zukunft wird man nicht mehr nur fragen, was jemand kann – sondern mit welcher KI er oder sie es kann.
Ein Perspektivwechsel mit Signalwirkung. Kompetenzen verschieben sich, doch sie verschwinden nicht.
Der digitale Realismus: Zwischen Renaissance und Blase
Interessanterweise schlägt selbst OpenAI-CEO Sam Altman derzeit leisere Töne an. In einer Zeit, in der das Netz von KI-generierten Inhalten überflutet wird – von Fake-Büchern auf Amazon bis zu Googles AI Overviews – sieht er eine Rückbesinnung auf menschenkuratierten Content kommen. Echtheit als neue Währung.
Gleichzeitig warnt er vor einer „KI-Blase“ à la Dotcom-Ära. Kleine Start-ups, aufgeblähte Bewertungen, Investitionen ohne Substanz. Dass Altman damit auch indirekt sein eigenes Ökosystem infrage stellt, wirkt fast wie ein Präventivschlag gegen das eigene Narrativ.
Und während GPT-5 die Erwartungen nicht erfüllen konnte, mehren sich Stimmen, die ältere Modelle wie GPT-4o in praktischen Aufgaben robuster finden – ein Rückschritt im Fortschritt?
Synthese: Navigieren im technologischen Nebel
Die Wellen der KI-Entwicklung sind nicht linear, sondern zirkulär. Zwischen Hype und Ernüchterung, Euphorie und Ernährungsdefizit für Erwartungen bleibt eine zentrale Erkenntnis: Der Wert künstlicher Intelligenz liegt nicht in ihrer Präsenz, sondern in ihrer Passung.
Oder, in den Worten einer alten Familienweisheit der Crowndrifts: Per fluctus ad astra – durch die Wellen zu den Sternen. Die Navigation dorthin erfordert keine magischen Maschinen, sondern klare Ziele, verlässliche Karten und gelegentlich einen guten alten Kompass – analog, menschlich, klug.
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