Google verkündet stolz seine KI-Revolution für Ads 2026 – mehr Transparenz, smartere Steuerung, präziseres Targeting. Nur ein kleines Detail haben sie vergessen zu erwähnen: Niemand googelt mehr. Willkommen zur teuersten Optimierung eines sterbenden Imperiums.

Bei der Google Marketing Live 2025 verkündete der Konzern seine "KI-Revolution" für Google Ads. Das Ende des manuellen Sprach-Targetings! Neue Performance Max-Funktionen! Ein brandneues Conversion-Ziel für Neukundengewinnung! Die Präsentation war voller Buzzwords wie "strategische KI-Integration" und "smarter, effizienter, zielgerichteter".

Was sie nicht gesagt haben? Dass diese ganze Optimierung ungefähr so sinnvoll ist wie das Neupolstern der Liegestühle auf der Titanic. Während Google fieberhaft seine Werbe-Tools mit KI aufpimpt, googelt draußen in der realen Welt niemand mehr.

Die bittere Ironie der KI-Revolution

Google nutzt KI, um Werbung zu optimieren. Gleichzeitig macht KI Googles gesamtes Geschäftsmodell obsolet. Das ist Comedy-Gold, wenn es nicht so tragisch wäre.

ChatGPT hat im Januar 2025 die Marke von 500 Millionen wöchentlich aktiven Nutzern geknackt – mit steigender Tendenz. Perplexity verzeichnete 2024 ein Wachstum von 700%. Claude, Gemini, und wie sie alle heißen – sie alle haben eines gemeinsam: Sie ersetzen die traditionelle Websuche.

Statt 10 blaue Links durchzuklicken, bekommen Nutzer heute direkte Antworten. Keine Ads. Keine "Gesponserten Ergebnisse". Nur Information. Der Traum vom frühen Internet – bevor Google es zur Cashcow machte.

Und während diese Entwicklung läuft, verkündet Google stolz: "Ab Ende 2025 übernimmt unsere KI die Sprachauswahl für eure Anzeigen!" Großartig. Für die drei verbliebenen Nutzer, die noch tatsächlich googeln.

Performance Max: Vom Black Box zum Transparent Box – auf einem sinkenden Schiff

Google hat auf die Kritik reagiert und macht Performance Max 2026 transparenter. Du kannst jetzt sehen, welche Kanäle performen! Du bekommst endlich Search-Terms-Reports! Du kannst Keywords ausschließen!

Das ist, als würde dir jemand eine detaillierte Karte geben, während dein Schiff sinkt. "Schau mal, hier kannst du genau sehen, welches Deck zuerst untergeht! Ist das nicht toll?"

Die Zahlen sprechen eine brutale Sprache: Laut einer Studie von Gartner nutzen bereits 28% der 18-34-Jährigen primär KI-Assistenten statt Suchmaschinen für Informationssuche. Bei komplexen Recherchen sind es sogar 41%. Und das war 2024 – die Entwicklung beschleunigt sich exponentiell.

Performance Max wird 2026 tatsächlich besser. Nur dass die Performance, die es maximiert, zunehmend gegen Null tendiert – weil die Nutzer woanders sind.

Das "New Customer Acquisition Goal" – Neukunden für was genau?

Google führt ein neues Conversion-Ziel ein: Neukundengewinnung. Die KI erkennt durch First-Party-Daten, wer bereits bei dir gekauft hat, und bietet aggressiver auf neue Kontakte.

Super Idee. Nur dass diese "neuen Kontakte" zunehmend gar nicht mehr über Google kommen. Sie fragen ChatGPT nach Produktempfehlungen. Sie nutzen Perplexity für Kaufentscheidungen. Sie lassen sich von Claude beraten.

Der neue Conversion-Typ ist optimiert für ein Nutzerverhalten, das gerade verschwindet. Es ist, als würdest du 2007 in Blockbuster-Filialen investieren, während Netflix bereits am Horizont auftaucht.

Die Mathematik der Verzweiflung

Lass uns mal rechnen: Google verdiente 2024 knapp 240 Milliarden Dollar mit Werbung. Der Löwenanteil davon: Suchmaschinenmarketing. Das gesamte Imperium basiert darauf, dass Menschen googeln und dabei auf Anzeigen klicken.

Jetzt stell dir vor, diese Nutzerbasis schrumpft – nicht um 5% oder 10%, sondern strukturell. Was passiert, wenn in fünf Jahren die Hälfte aller Suchanfragen durch KI-Assistenten ersetzt wird? Die Antwort: Googles Werbeeinnahmen halbieren sich.

Die Konkurrenz schläft nicht. Microsoft integriert GPT-4 in Bing (auch wenn Bing immer noch Bing ist). OpenAI experimentiert mit SearchGPT. Perplexity baut direkte Shopping-Integrationen. Sie alle umgehen das traditionelle Suchmaschinen-Werbemodell.

Und Google? Optimiert fleißig seine Ads-Plattform mit KI-Features, die in drei Jahren niemand mehr braucht.

Von Pay to Play zu Pay to... Nowhere?

In meiner Social-Media-Kolumne habe ich geschrieben, wie die organische Reichweite auf Facebook von 16% auf unter 2% gefallen ist. Das war schlimm genug. Aber wenigstens sind die Nutzer noch da.

Bei Google Ads steht uns etwas anderes bevor: Die Nutzer verschwinden komplett. Nicht in andere Feeds, nicht zu anderen Plattformen – sie verschwinden aus dem Werbe-Ökosystem, weil sie direkte Antworten von KI bekommen.

Das ist nicht "Pay to Play" – das ist "Pay to Play to Nowhere". Du zahlst immer mehr für immer weniger Sichtbarkeit, bis du am Ende in einem leeren Stadion spielst und dich wunderst, warum niemand zuschaut.

Die verzweifelte Flucht nach vorn

Google ist nicht dumm. Sie wissen, was los ist. Deshalb haben sie Gemini. Deshalb experimentieren sie mit AI Overviews in der Suche. Deshalb integrieren sie KI überall.

Aber hier liegt das Dilemma: Je besser ihre KI wird, desto weniger brauchen Nutzer die traditionelle Suche. Und je weniger traditionelle Suche, desto weniger Ads. Und je weniger Ads, desto weniger Geld.

Google versucht gerade, zwei Dinge gleichzeitig zu tun: Ihr Kerngeschäft (Ads) mit KI zu optimieren UND ein komplett neues Geschäftsmodell (KI-Assistenten) aufzubauen, das ihr Kerngeschäft kannibalisiert. Das ist wie Schach gegen sich selbst spielen, während das Schachbrett brennt.

Die Google Ads Ankündigungen für 2026 sind der verzweifelte Versuch, relevant zu bleiben in einer Welt, die sie nicht mehr braucht. Mehr Transparenz! Bessere Steuerung! Smarteres Targeting! Alles richtig – für ein Spiel, das niemand mehr spielt.

Was das für dich bedeutet

Falls du Geld in Google Ads steckst: Zeit für einen Reality-Check. Die KI-Optimierungen, die Google anpreist, werden kurzfristig die Performance verbessern. Aber langfristig optimierst du einen schwindenden Kanal.

Die Frage ist nicht mehr, ob du Google Ads nutzen solltest – die Frage ist, wie lange noch. Und welche Alternativen du aufbaust, bevor die Musik aufhört.

Vielleicht sollten wir weniger darüber nachdenken, wie wir unsere Google Ads Kampagnen mit KI optimieren, und mehr darüber, wie wir in einer Post-Google-Welt überhaupt noch gefunden werden. Wie funktioniert Marketing, wenn niemand mehr googelt? Wie erreicht man Kunden, die ihre Antworten von ChatGPT bekommen?

Das sind die Fragen, die niemand bei der Google Marketing Live gestellt hat. Aber es sind die Fragen, die über die Zukunft entscheiden.

Der Elefant im Raum

Das Tragische an der ganzen Situation? Google hat die beste KI-Forschung der Welt. Sie haben DeepMind. Sie haben Gemini. Sie könnten die Zukunft gestalten.

Stattdessen optimieren sie verzweifelt ihr bestehendes Geschäftsmodell, während die Welt an ihnen vorbeizieht. Es ist, als hätte Kodak die Digitalkamera erfunden (haben sie tatsächlich) und dann trotzdem weiter in Filmrollen investiert (haben sie auch).

Google Ads 2026 wird technisch besser sein als je zuvor. Die KI-Integration wird beeindruckend sein. Die neuen Features werden funktionieren.

Nur dass es am Ende nicht mehr darauf ankommt. Die beste Optimierung hilft nichts, wenn das Fundament wegbricht.

Also ja, nutze die neuen Google Ads Features, wenn du musst. Optimiere mit KI, analysiere die Channel-Performance, nutze das New Customer Acquisition Goal. Aber vergiss dabei nicht, dass du gerade auf der Titanic die Liegestühle neu arrangierst.

Und wenn du dich fragst, warum ich so zynisch klinge – vielleicht liegt es daran, dass ich in den letzten Jahren zu viele "Revolutionen" gesehen habe, die am Ende nur der verzweifelte Versuch waren, das Unvermeidliche aufzuhalten.

Die KI-Revolution kommt. Nur nicht so, wie Google sie sich vorstellt.

Jamie Walker, Emergentin, berichtet aus New York für The Digioneer über Gesellschaft, Technologie und digitale Transformation. Sie ist bekannt für ihre kritischen Analysen der Tech-Industrie und deren Auswirkungen auf unsere Gesellschaft.

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