Eine Glosse von Gast-Autor Markus Rinderer
Menschen kaufen Produkte aus 3 Gründen: Notwendiges, Bequemlichkeit – was das Leben einfacher macht und Status. Schon John Gotti, der Boss der Gambino-Family (Cosa Nostra), liebte es Journalisten zu erzählen, dass er keine Krawatten kauft, die billiger als $500.- sind.
Viele Menschen haben diese Erfahrung gemacht: „Ich hohl noch schnell einen Liter Milch!“. Und beim Nachhausekommen hat man wiedermal ein paar „Schnäppchen“ extra gekauft. Und das hat nichts mit persönlicher Schwäche oder Naivität zu tun, es ist geplant!
Fast jeder weiß, dass Werbung versucht, Menschen zum Kauf zu manipulieren. Mit Rabattaktionen und vielen anderen Dingen. Es ist kein Zufall, dass beim Kinderkanal um 4 Uhr Nachmittags Werbung für Waschmittel oder Kinderschnitten geschaltet wird; zu dieser Zeit beaufsichtigen Mütter meist ihre Kleinen und sehen dann das ach so sanfte und ökologisches Waschmittel – für ein paar Euro teurer als beim Diskonter; des Klimagewissens wegen.
Menschen müssen essen, es war immer so, es wird immer so bleiben. Also ab in den Supermarkt! Lasset also die Spiele beginnen! Und das beginnt direkt am Eingang - Obst und Gemüse grüßen uns! Warum? Ganz einfach: hier sollen Kunden zuerst langsamer werden, sich entspannen. Ein Kunde, der einfach reinkommt, sich eine Packung Salat nimmt, an der Kasse bezahlt und geht, ist Gift für die Marketingabteilung. Nein, man soll zur Ruhe kommen und hat auch die Gelegenheit, sich von der Frische und Qualität der Produkte zu überzeugen. Man kann alles angreifen und auch daran riechen.
Kleiner Tipp: bei Rispentomaten kann man am Grünzeug sofort sehen und ertasten, wie „frisch“ die Tomaten wirklich sind; es wird nicht oft eine „befriedigende“ Erkenntnis sein.
Das menschliche Gehirn denkt nicht gerne!
Man darf nicht vergessen: 50-70% aller Käufe sind spontan, nicht geplant. Und wer wollte den Handelsketten vorwerfen wollen, dies nicht auszunutzen. Also, wir gehen weiter. Auf der Liste (so man klug genug ist, einen Einkaufszettel zu schreiben) steht: Hühnerfleisch, 1 Liter Milch, Brot, Shampoo und Rasiercreme. Warum sind also die Fleischabteilung, das Regal mit Milchprodukten und die Abteilung für Hygieneprodukte über den ganzen Markt verteilt? Genau wie bei IKEA ist der Kunde gezwungen, durch den gesamten Markt zu gehen. Und so wie man die neuen Kerzen Marke „Billy“ beim Schlendern durch das Labyrinth bei IKEA erstehen kann, sogar in rosa, kann man auch an Senf, Gewürzen und Kuchen vorbeigehen und in den Einkaufswagen tun – die „Bank“ gewinnt immer.
Der Punkt ist, dass das Gehirn eines Menschen nicht gerne denkt. Tatsächlich ist das Gehirn einer der größten Verbraucher von Zucker und Sauerstoff im menschlichen Körper. Das heißt, dass es nach zirka 20 Minuten anfängt, müde zu werden und die meisten Menschen ihre „guten Intentionen“ (ich kauf eh nur das, was ich wirklich brauche) fallen lassen, um nicht so überfordert zu sein. Da sind so viele tolle Sachen samt Sonderangeboten die sicherlich keine sind und mit Signalfarben, prominent platziert, angepriesen werden – die Marketingabteilung wäre ja schön blöd, das nicht auszunutzen. Also, schreitenden Fußes durch den gesamten Markt. Das Quengeln der lieben Kleinen wird man an der Kasse mit einem Schokoriegel abzustellen wissen.
Generell muss gesagt werden, dass nur 1% der Ladenfläche für 6% des gesamten Umsatzes verantwortlich ist. Brot oder Fleisch sind Grundnahrungsmittel, die Sojasoße, Prosecco, Chips, Popcorn oder Limonade werden, natürlich rein zufällig, dazwischen angeboten. Ein simpler Trick, und er funktioniert blendend. Mit anderen Worten, je größer der Markt, desto leichter ist es in die Falle zu gehen.
Denn auch ein einziger Schokorigel den man zusätzlich kauft bedeutet mehr Umsatz.
Aber nicht nur die Architektur, sondern auch die Platzierung der Produkte ist sehr wichtig für die Kaufentscheidung. Nehmen mir eine Dose Erbsen: Einigen ist vielleicht bekannt, dass die teureren Markenprodukte auf Augenhöhe platziert werden, die „billigeren“ Produkte stehen meist ganz unten – oftmals von gleicher Qualität aber ohne Öko-Siegel oder Ähnlichem.
Einige Märkte bringen ihre Preise sogar über der Ware an, was Kunden schnell verwirren kann, da sie glauben sollen, ein teures Produkt billig gekauft zu haben. Der echte Preis wird darunter auch ausgewiesen, aber grelle Signalfarben mit großer Schrift darüber haben ein wesentlich anziehenderes Appeal als ein kleines weißes Schildchen darunter. An der Kasse ist es dann meist zu spät. Bei unseren Erbsen funktioniert der Trick ein bisschen anders. Wenn man Dose „A“ – billig und Dose „B“ – teurer (beides Erbsen) nebeneinander anpreist, kaufen 65% der Kunden eher das teurere Produkt und nur ca. 35% das Günstigere. Jetzt machen wir es „ganz“ clever: wir stellen Dose „A“ links, Dose „B“ in die Mitte und noch eine Dose „C“ rechts auf. Dose „C“ wird als das teuerste Produkt ausgewiesen. Was passiert? „A“ ist billig, „B“ ist teurer und „C“ ist die teuerste Dose, alle 3 gefüllt mit Erbsen. 12% kaufen „A“, 76% kaufen „B“ und 12% kaufen Dose „C“!
Seit 1940 sind die Einkaufswagen 3-mal so groß geworden!
Mit anderen Worten: der Markt hat sein Ziel erreicht, der Kunde hat verloren, da er ernsthaft geglaubt hat, das „ausgewogenste“ Produkt gekauft zu heben. Für Produkte, die ein langes „shelf-life“ haben geradezu ideal. Dieses Prinzip ist auch im Bereich Malerei, der Filmkunst oder der Fotographie bekannt, es heißt: „Der Goldene Schnitt“.
Es gibt aber auch viele andere Möglichkeiten ein „schönes“ Shoppingerlebnis zu schaffen. Nehmen wir Musik: etwas Leichtes, Witziges, Subtiles vielleicht. Hat man also zu viel Wein aus Frankreich oder Griechenland eingekauft, warum denn nicht Menschen in die korrekte Stimmung mit Musik bringen? Welche Dame möchte sich denn nicht an den romantischen Urlaub auf Korfu vor 15 Jahren erinnern, wo sie mit ihrem heutigen Mann in dieser kleinen Spelunke direkt am Hafen gespeist hat, und es war ja „so romantisch“. Und schon gesellt sich die Flasche mit griechischem Wein in den Einkaufswagen. Diese werden natürlich extra groß gebaut um die Produkte weniger und kleiner erscheinen zu lassen – seit 1940 wurden die Wagen 3-mal so groß. Und es gibt selbstverständlich auch die Wagen für die ganz kleinen Lieben. Sogar mit Plastikfahne. Aber die Weinflasche hat es trotzdem geschafft und wird bezahlt – nur €12,00.- mehr.
Und wir dürfen uns auch über gratis Verkostungen freuen. Natürlich gemeint als Service am Kunden, in Wahrheit aber nicht so optimistisch gemeint. Hunger ist einer der schlechtesten Ratgeber beim Einkaufen. Es ist erwiesen, dass man mit leerem Magen bis zu 46% mehr einkauft als geplant. Die Verkostung des neuen Prosciutto an der Fleischtheke (weit entfernt von Käse und Milch) ist kein Akt der reinen Freundlichkeit, es ist Teil des Spieles. Diese Verkostungen erfüllen aber noch einen zweiten Zweck; genannt „Reziprozität“. Was es heißt ist das praktisch jeder Mensch sich moralisch verpflichtet fühlt, ein Geschenk mit einem Gegengeschenk zu erwidern. Frei nach dem Motto: „Wie du mir, so ich dir“. Das mag eine Flasche Sekt sein, die man dem Nachbarn schenkt, dafür dass er die Blumen im Garten gegossen hat; in Supermärkten übersetzt sich das in die Bereitschaft and der Fleischtheke doch noch etwas Wurst zu kaufen, da die angebotene Gänseleberpastete auf geröstetem Weißbrot so gut geschmeckt hat. Und dann haben wir wieder das Gleiche: man wird hungrig und wandert schreitenden Fußes durch den ganzen Supermarkt.
Ein Klassiker, der sich in den letzten Jahren vor allem in Europa verbreitet hat ist „Öko“, „Regionalität“ und „Nachhaltigkeit“. Wer schmachtet denn nicht dahin, wenn ein kleines „Schweinchen Babe“ mit dem Biobauern darüber schwadroniert, dass eh alles „ja natürlich“ ist. Man kann nur überzeugt sein, dass die Ananas, die im Dezember und Januar angeboten wird, vom „ja natürlich“-Biobauern aus dem Marchfeld kommt. Daran kann kein Zweifel bestehen.

Aber auch „fette Rabatte“ und spezielle Angebote lassen die Kauflaune steigen. In kräftigen Farben über oder unter dem Produkt angepriesen, kann man doch nichts falsch machen, nicht wahr? Nachrechnen würde sich lohnen, wenn man denn nach 20 Minuten noch den Geist dafür hat. „Kauf 3, und zahl nur 1“! Jeder Kaufmann würde sofort wissen, dass sich das betriebswirtschaftlich gar nicht ausgehen kann.
Die Gewinnmargen bei Lebensmittel sind klein, jeder Cent zählt. Es sei denn, dass man sich bewusst für den teuren Scotch entscheidet, da weiß der Kunde, dass er bewusst dieses Getränk und keinen billigen Scotch kauft.
Ist nun alles verloren, Homo Sapiens ein reines Opfer des Marketings und des „Product Placement‘s“? – Natürlich nicht! Es gibt eine Methode, die schon immer angewandt wurde, aber leider von den meisten Menschen vergessen wurde – der EINKAUFSZETTEL!
Auf diesem Papier kann man alles aufschreiben was benötigt wird, ein Block und Bleistift genügen völlig. Und das Wissen, dass die Manipulation von Kunden im Vordergrund steht. Dieses Stück Papier ist der Alptraum für jeden Marketingspezialisten.
Man möge sich und andere im Supermarkt beobachten, wie viele Menschen noch mit diesem klugen Stück Papier durch die Gänge des Supermarktes schreiten. Natürlich ist es Unsinn zu glauben, dass man gegen Werbung völlig immun werden kann. Werbung erfüllt auch positive Aspekte, denn ohne würden wir nicht wissen, dass viele Produkte existieren. Aber wie stark wir uns manipulieren lassen, das ist ganz unsere Entscheidung
Der Autor dieses Textes hat jedenfalls aufgeschrieben:
1 Tube Tomatenmark,
Pfeffer,
Shampoo,
Äpfel,
2 Dosen Tunfisch,
einen Laib Brot,
Hühnerfleisch,
Karotten,
Crème fraîche,
Currypulver,
WC-Steine,
Rasiergel.
So steht es geschrieben, so wird es geschehen. Sorry!